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Sonntag, den 9. 8. 2020

Anmerkungen zum Artikel "Der Patinator" in Oldtimer Markt 7/2020

Leider hat die Anette Johann ohne Rücksprache meine Person, meine Arbeit und ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat verwendet, um ihren Artikel mit „Fachmeinung“ zu garnieren. Das hat mir seitdem wiederholt kritische Nachfragen eingebracht (- „wie kommt es, dass Du sowas unterstützt?“), darum kann ich das Ganze nicht einfach so stehen lassen.

 

Bunt durcheinander geht es in dem Schreibwerk, vom „echten Rennlook“ ist die Rede (was ist daran echt?) und (aufgemalten) „Lebensspuren“, aber auch „runtergerockt“ kommt vor und eine vermeintlich „magische Formel“.

Es wird allerdings nirgends eindeutig klargestellt, dass es sich bei dem abgebildeten Gekünstel gar nicht um Patina handelt!

Im Bereich der Kulturgeschichte, aus dem sich die Oldtimerszene dieses angebliche „Zauberwort“ ausleiht, ist seine Bedeutung klar definiert, als „Spuren, die durch den normalen Gebrauch und die normale Alterung entstanden sind“.  Also etwas, was sich ein Wagen im Laufe seiner Existenz reell verdient. Und nur diese Spuren einer tatsächlich echten Lebensgeschichte, eingeschrieben in die tatsächlich historische Substanz, geben auch in großen Stückzahlen hergestellten Serienfahrzeugen mit der Zeit eine authentische Individualität. Das bedeutet aber: Patina gibt es nur in der „natürlich erworbenen Form“ - alles andere heißt Effektmalerei und man muss es klar so benennen. Im Echten, und nur hier, sind auch die teilweise verzeichneten Wertsteigerungen bei original erhaltenen, patinierten Fahrzeuge zu finden.

   Patina, entstanden durch den Gebrauch und die normale Alterung

Dem Kommentar von Peter Steinfurt möchte ich darum grundsätzlich gerne zustimmen, besonders wenn er mit „gelogen“ und „Märchen“ dem Kind die zutreffenden Namen gibt. Es geht jedoch nicht einfach um ein schwammiges „mag ich“ oder „mag ich nicht“. Er vermeidet ebenfalls die ausgesprochene Abgrenzung zwischen gemachten Effekten und dem, was tatsächlich als Patina bezeichnet werden kann. Das trägt die Verwirrung weiter und behindert eine tatsächlich sinnvolle Diskussion.

Zum Glück sind solche Pinseleien mit dem geschulten Auge und einer UV-Lampe leicht zu identifizieren, so dass neugemacht-&-übergeschrubbelte Fahrzeuge vielleicht von schlechtem Geschmack zeugen, aber letztendlich keine Gefahr darstellen. Jeder kann gerne selber entscheiden, ob er sein mehr oder weniger stilsicheres neues Outfit mit einem gefakten Gucci-Täschchen ruinieren will.

   künstlich erzeugte Effekte ohne echten historischen Bezug zum Fahrzeug

Wenn man sich mit solchen Methoden allerdings an Fahrzeugen mit erhaltener Originalsubstanz vergreift, wie es der „Künstler“ mit Vorher-/Nachher-Fotos eines Reichspost-Wagens vor kurzem ausführlich in den sozialen Medien gepostet hat, beginnt der Vandalismus. Seine fehlgeleitet-gruseligen Vorstellungen von „Reversibilität“, die der Artikel unkommentiert wiedergibt, sind einfach Thema verfehlt. Fachlich meint „reversibel“, dass man eine Bearbeitung ohne Veränderungen der originalen Substanz sowohl ausführen, als auch wieder entfernen kann. Hier geht es nicht darum, dass man mutwillige Substanzverluste (= anschleifen) später mit noch mehr Zerstörung (= tief wegpolieren) überdeckt. Da wird der selbsternannte „Patinator“ zum Terminator.

 

An dieser Stelle behauptet der Laie gerne „das geht nicht anders!“. Doch: Es gibt bewährte Methoden, neuen Lackbereichen so an historische Fahrzeugsubstanz anzupassen, dass die Ergänzungen ohne anschleifen fahrtauglich sind und gleichzeitig auch auf lange Sicht schadlos wieder abgenommen werden können. Auf diese Weise habe ich selbst bereits zahlreiche Retuschen an Originaloberflächen ausgeführt, mich dabei allerdings kleinteilig auf die beschädigten Bereiche konzentriert, alles gut dokumentiert und wirklich reversibel gearbeitet. Ein Beispiel dafür finden Sie hier.

 

Wer sich tatsächlich ernsthaft mit dem Thema „Patina“ beschäftigen möchte, findet weitergehende Informationen auf der Webseite der Association of British Technical & Engineering Museums (ABTEM): https://abtemguidelinesorg.wordpress.com/case-studies/case-studies-further-information/.


Sonntag, 20. 7. 2020

Einbecker Oldtimertage 2020

Trotz der weiterhin notwendigen Vorsichtsmassnahmen durch die Corona-Problematik konnte auch dieses Jahr ein Veranstaltungswochenende am PS.Speicher in Einbeck gefeiert werden.

Zum Auftakt am Freitag hatte der Verein der Förderfreunde zu einem Vortrag geladen, in dem ich vor etwa 150 Zuhöreren über Ansätze, Methoden und Projekte aus meiner Werkstatt berichten durfte.

Fotos: PS.Speicher

Am folgenden Samstag fanden kleine Ausfahrten in die Umgebung von Einbeck statt, an denen etwa 50 Fahrzeuge teilgenommen haben. Dafür durften Gregor Schulz und ich  den Mercedes G5 Bergwacht-Wagen aus dem PS-Speicher ausleihen und die spezielle Technik dieses Fahrzeuges mit Vorder- und Hinterradlenkung ausprobieren.

 

Am Abend wurde dann mit dem  PS.Depot Kleinwagen ein neuer Ausstellungsort des Fahrzeugmuseums eröffnet, der seinen nun für Alle zugänglichen liebenswerten, teilweise  skurrilen Exponaten ein wunderbares neues Zuhause gibt.  Auch mit den aktuell notwendigen Vorsichtsmassnahmen war es eine rundum gelungen Feier mit Fahrzeug-Enthusiasten und Freunden!

Foto: PS.Speicher                                                                                                                      Foto: CM

Am Sonntag stellt der PS.Speicher dann den Fahrzeugenthusiasten seine Parkplätze für ein lockeres Treffen mit "Kaffee & Karossen" zur Verfügung. Ob nun für Fahrer von Old- und Youngtimern, Tuningfans, Besitzer von Sportwagen oder US-Cars sowie alle interessierten Zaungäste: die Leidenschaft für Mobilität & Technik und die gemeinsame Freude an Fahrzeugen war das verbindende Element.  Auch mit Mund-Nase-Schutz und Einhaltung der Abstands-Regeln war die fröhliche und entspannte Atmosphäre ein willkommener Anlass für jung und alt, nach so langer Zeit wieder ein tolles Zusammentreffen zu geniessen.


Freitag, 3. 7. 2020

Erweiterung des Zustandsnoten-Systems für die Bewertung von historischen Fahrzeugen

In den letzten Jahren hat sich die Sichtweise auf historische Fahrzeuge verändert und materiellen Originalität rückt in den Blick von Sammlern und Gutachtern. Im Rahmen von Wert- und Schadensgutachten und mit dem dabei seit Jahren verwendeten Zustandsnoten-System 1 ("makellos") bis 5 ("nicht betriebsfähig") kann dies jedoch nicht sinnvoll abgebildet werden. Heute kommt es vor, dass manche weitgehend unverändert erhaltenen Fahrzeuge auch mit deutlichen Gebrauchsspuren (nach "konventionellem" System als Note 3 oder sogar 4 eingeordnet) finanziell höher gehandelt werden als Note-1-bewertete Fahrzeuge. Das ist jedoch Versicherern und Wertgutachtern häufig nur schwer zu vermitteln und führt dann zu Missverständnissen und Konflikten. Deshalb bestand Anpassungsbedarf.

Die Arbeitsgruppe Zustandsnoten (Norbert Schroeder, Peter Diehl, Martin Stromberg, Christian Deneke und Gundula Tutt) des Parlamentskreis Automobiles Kulturgut im Deutschen Bundestag hat dazu eine Lösung ausgearbeitet. Diese ist inzwischen von relevanten Marktteilnehmern wie Classic Data, dem TÜV Süd und verschiedenen Versicherungen in die Praxis übernommen worden.

Entscheidend dabei war es nicht, "das Rad neu zu erfinden", sondern das bewährte System transparent und verständlich zu ergänzen, so dass  spezielle, originale Zustände ebenfalls erfasst werden können. Dadurch ist auch die einfache und preiswerte Anbindung dieser Neuerungen an die Datenverarbeitungssysteme von Versicherungen und Wertgutachtern möglich. Alle wichtigen Details dazu sind nachzulesen im Oldtimer Markt Preisguide-Sonderheft 65 vom April 2020 und in dem von der Arbeitsgruppe zum Projekt erstellten Beispielkatalog. Dieser wurde am 3. 7. 2020 im Parlamentskreis Automobiles Kulturgut vorgestellt, abschliessend besprochen und akzeptiert. Der Beispielkatalog mit erklärenden Materialien und einem Pressetext von Peter Diehl kann hier heruntergeladen werden.


Montag, der 17. 2. 2020

Ein Forschungsprojekt mit der Schule für Farbe und Gestaltung Stuttgart

Im Rahmen einer Examensarbeit an der Schule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart wurden Präparationen mit speziellen Pigmenten für historische Fahrzeuglack-Systeme erarbeitet.

Yannik Schmidt, Melanie Treimer, Marcel Heck und Christin Dreisilker (von links nach rechts) haben traditionell verwendete Pigmente so aufbereitet, dass sie in einer modernen Mischbank zum Tönen von Kutschen- und  Nitrozelluloselack, Alkyd-Kunstharzbindemittel und thermoplastischen Acryllacken eingesetzt werden können. Dabei wird selbstverständlich auf  heute legal nicht mehr verwendbare, Schwermetall-haltige Pigmente verzichtet, Farbmittel wie Marroon oder spezielle Schwarzpigmente machen es jedoch in Zukunft möglich, die ursprünglich verwendeten Farbtöne noch exakter nachzustellen. Dies ist besonders entscheidend bei genau abgestimmten, punktuellen  Reparaturen innerhalb von orignalen Lackierungen, denn so können Farbabweichungen und grössere Beilackierungen vermieden werden.

 

Darüber hinaus werden wir nun noch patentierte Markerpigmente der Firma Tailorlux, deren Nachweis in Oberflächen mit zerstörungsfreien Methoden möglich ist, für den Einsatz in den historischen Lacksystemen testen. Auf diese Weise können neu hergestellte Materialformulierungen nach historischer Rezeptur so markiert werden, dass sie dauerhaft von originalen Bereichen unterscheidbar bleiben. Dies entspricht den Grundlagen der Charta von Turin und verhindert, dass mit authentischen Lacken komplett restaurierte Karosserien fälschlicherweise als unberührt erhalten eingestuft werden.

Trotz  Behinderungen durch die aktuelle Corona-Krisenlage führen wir dieses Projekt weiter und werden die Ergebnisse  nach Abschluss veröffentlichen. Ich freue mich sehr über die schöne Zusammenarbeit mit meinen Partnern in Stuttgart, - dankeschön für Euer tolles Engagement!

Research Project in cooperation with the Fachschule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart

Four students of the "Fachschule für Farbe und Gestaltung" in Stuttgart have worked with me to research traditional pigment preparations for the use in vehicle restoration (Photo: Yannik Schmidt, Melanie Treimer, Marcel Heck and Christin Dreisilker, from left to right). The students adjusted these materials for the use in a paint mixing system usable for all traditional paint systems, including oil-based carriage paint, nitrocellulose lacquer, alkyd synthetic resin binder and thermoplastic acrylic lacquer. Certain historic vehicle paint shades, like maroon red and special jet black hues, which could not be imitated with modern materials, can again be authentically reproduced using these colorants.. This is important not only for reconstructing a vehicle’s original paint scheme, but also for small scale inpainting and spot repairs within the historic paintwork of preservation class vehicles. 

 

We are also testing the use of  Tailorlux© marker pigments in our historic paint formulations. These marker pigments are not visible, but can be detected using easily applicable non-destructive methods. In this way, historic paint formulations used in restoration can be permanently marked so that repainted surfaces will no longer be confused with original material.

Despite many challenges of the corona situation, we were still able to move this project forward. The results will be published soon.  I am grateful for the wonderful cooperation of  my student partners  and the Fachschule in Stuttgart, - thank you for your great commitment!


Dienstag, der 4. 2. 2020

Society of Automotive Historians,  Award of Distinction

 

Im Rahmen des Salon Rétromobile in Paris fand auch 2020 das Dinner der Society of Automotive Historians statt, bei dem mein Buch "Kutschenlack, Asphaltschwarz und Nitroglanz" mit dem Nicolas Cugnot Award of Distinction ausgezeichnet worden ist. Für diesen Preis, vergeben durch eine Peer-Jury aus internationalen Automobilhistorikern, möchte ich mich ganz herzlich bedanken!

Inzwischen ist  auch die englische Übersetzung des Buches in Arbeit, die mit grosszügiger Unterstützung der Stiftung The MotorCar Hub realisiert wird. Diese Ausgabe kann nach derzeitiger Planung 2021 im Karren Verlag Münster bestellt werden und ist dann auch international verfügbar.


Montag, der 16. 12. 2019

 "Automobiler Fachwortschatz zur Beschreibung historischer Fahrzeuge"

 

 

 

 In der Oldtimerszene herrscht heute eine Sprachverwirrung babylonischen Ausmaßes. Pure Leidenschaft lässt sich zwar in lyrischen Tönen famos besingen, doch mitunter fordern Fakten eine präzise Formulierung. Zum Beispiel, wenn es in Gutachten und Bewertungen um Zustände geht, um Originalität oder Patina – Begriffe, die heute jeder aus seiner eigenen Erfahrung und Perspektive zu nutzen weiß.

Diskussionen allerdings stellen sich immer dann als schwierig dar, wenn sich das benutzte Vokabular  in einem weiten Panorama freier Interpretationen verliert.

Diese Unschärfe irritiert besonders, weil zunehmend Begriffe aus dem Spektrum der Kunst- und Kulturgüter Einzug in die Welt historischer Fahrzeuge gehalten haben. Sie werden meist genutzt, ohne dass ihre seit Jahrzehnten etablierten Definitionen geläufig sind, die in internationalen Normen, Vereinbarungen, Gesetzen oder Abkommen zum Kulturgutschutz als rechtsgültige Standards verankert sind. Dabei finden sich längst offizielle Anwendungen: So fordert die so genannte Oldtimer-Richtlinie – verankert im berühmten §23 StVZO – explizit die Prüfung, ob das vorgeführte Fahrzeug tatsächlich die Kriterien eines kraftfahrzeugtechnisches Kulturgutes erfüllt oder nicht.

Dieser Fachwortschatz bildet den aktuellen Stand einer Vielzahl von Begriffen ab. Er bietet allen, die mit Interesse und Herzblut historischen Fahrzeugen begegnen, eine profunde Referenz, Zustände und Herangehensweisen künftig präziser differenzieren und beschreiben zu können. 

Das Buch ist im  Karren-Verlag erscheinen, es ist ab Mitte Januar 2020 über unseren Vertriebspartner Delius Klasing und unter der ISBN 978-3-947060-11-5 im Buchhandel erhältlich. Direkt zum Bestell-Link geht es hier.

Eine internationale Ausgabe in englischer Sprache ist aktuell in Vorbereitung.


Samstag, der 16. November 2019

Das Schweizer Ausbildungsprogramm für Fahrzeugrestauratoren erhält den

Culture Award der Fédération International des Vehiculs Anciens (FIVA)

 

 

Im Rahmen der General Assembly des Oldtimer Weltverbandes FIVA wurde das Ausbildungsprogramm der IgF mit dem Culture Award in der Kategorie

"EDUCATION, TRAINING and the raising of AWARENESS" aussgezeichnet.

In ihrer Laudatio begründete die Vorsitzende der Kulturkommission, Natasa Jerina Grom die Entscheidung der Jury:

"The Educational Program for Vehicle Restorers provided by the Interessengemeinschaft Fahrzeugrestaurator (IgF) in Switzerland is an outstanding initiatives related to education, training and the raising of awareness in the field of cultural and technical mobile heritage, with focus on the promotion of the sustainable development of the environment. This association provides working standards in accordance to the FIVA Technical Code and the Charter of Turin, so collectors and owners can be sure to have their vehicles professionally preserved, restored, repaired and maintained. The program is coordinated with the national agency for education (SBFI) and finalized with a state-recognized exam (Berufsprüfung) and certificate, the Eidgenössische Fachausweis as vehicle restorer. The program is permanently developed and supplemented by free periodic workshops, organized for the members of IgFS, so also continuous training is provided for specialists already working in the trade. The vehicle restoration degree combines practical skills with in-depth theoretical knowledge and testifies the holder has all skills required for qualified professional work."

 

Zusammen mit meinen Kollegen freue ich mich sehr über diese schöne Würdigung unserer langjährigen Arbeit und den guten Weg, den drei Jahrgänge unserer Absolventen inzwischen in ihrem Berufsleben gehen.


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